6h Gebrüder Liwerant, Linse widerspricht dem Reichswirtschaftsminister 

 

Auch der Fall Gebrüder Liwerant bezeugt Linses Gedanken zur fairen Bewertung von Firmen.

Er weiss, dass die Regeln zur Bewertung von jüdischen Betrieben  zum Nachteil dieser Eigentümer wirken, und  zum Vorteil der arischen Käufer. Das sind eben die Regeln, denen Linse folgen muss. In diesem Fall versucht aber der Käufer, den schon niedrigen Preis nachträglich noch mehr zu reduzieren. Hier widerspricht Linse:

Die jüdische Firma Liwerant war 1938 an arische Eigentümer verkauft worden. 1940 jedoch ersuchte der Käufer der Preis nachträglich zu reduzieren, weil sich die Geschäftsaussichten durch den Ausbruch des Krieges verschlechtert hätten. Die Handelskammer hatte dies zurückgewiesen, woraufhin sich der Käufer an den Reichswirtschaftminister (!) wendete, der dann die Reduktion befürwortet hat.  Walter Linse nimmt Stellung gegen die Verfügung des Ministers: ...dies "würde dem Käufer eines jüdischen Betriebes" eine "durch nichts gerechtfertigte Vorteilstellung" einräumen gegenüber dem Erwerber eines nichtjüdischen Unternehmens".  Linse führt aus, dass Nazi-Gesetze zur Bewertung jüdischer Betriebe solche Vorteile gewähren - und er verdammt auch diese, mit der gleichen Begründung.

Linse zeigt hier eine Einstellung, die nicht der Nazi-Ideologie entspricht. Linse hat Farbe bekannt, Mut gezeigt, obwohl das  gefährlich sein kann.

6i Arisierung des Möbelhauses Oswald

Zur Arisierung des Möbelhauses Oswald (Inh Siegfried Fuchs) erlaubt Linse dass die Reichsausgleichsabgabe durch den Käufer bezahlt wird - ein Beispiel dafür, dass Linse durchaus nicht besonders Juden belasten möchte. Linse respektiert, dass sich der jüdische Inhaber/Verkäufer einfach aus Prinzip weigert, den Nazi-Staat, der den Verkauf erzwungen hat, auch noch dafür zu belohnen, (StaC 30874 701 #228 - 231, siehe unten).

Linse lobt, dass Warenlager und Inventar fair bewertet worden sind. Er erlaubt auch, dass die Provision für den Einzug der Aussenstände in diesem Fall zu 7% vereinbart ist. Herr Fuchs erhält also 93%.  Wie fast in allen Fällen sehen wir nur die IHK Kommentare zu dem Verkauf des Geschäftes, nicht den Vertrag selbst.

6k Unitas, Linse urteilt gegen arische Käufer,

In einem Brief  an den Regierungspräsidenten (doc 6k, weiter unten) erklärt Linse, dass bei Arisierungen jüdischer Betriebe die Aussenstände vom Käufer solcher Betriebe eingezogen und dem früheren jüdischen Eigentümer zu 95% gutgeschrieben werden. Eine Provision von 5% steht dem Käufer zu, als Kompenstion für Mühe usw für das Einholen dieser Beträge. Die Regelung gelte aber für relativ kleine, noch unbezahlte Rechnungen, wie Ratenzahlungen von Kunden.

Der arische Käufer wollte nun auch für andere grosse Aussenstände die 5% Einzugs-Provision von der ehemals jüdischen Firma Unitas verlangen. Linse lehnt den Antrag ab, urteilt also gegen den arischen Käufer. Eine Provision sei in diesem Falle unzulässig weil die Beträge schon beim Verkauf aufgerechnet worden waren, also keiner besonderen Mühe seitens des Käufers bedurften.

Offensichtlich beschützt Linse die Interessen des jüdischen Eigentümers - auch wenn er in seinem Brief andere "volkswirtschaftliche" Gründe anführt, damit der Herr Regierungs-präsident Linses Meinung akzeptieren kann. Nämlich, wenn die früheren jüdischen Eigentümer im Ausland weilten, käme der Betrag (gemäss einer Verfügung des Reiches) nicht den Juden sondern dem Reiche zugute.

Andererseits gibt es auch Beispiele in denen das Vermögen den Juden zugänglich gemacht wird (siehe Kapitel Ascher 2). Linse weiss das, denn er selbst hat solch eine Ausnahme im Mai 1939 erreicht (fünf Monate vor dem Unitas Fall) . Davon schreibt Linse aber NICHTS an den Regierungspräsidenten.

Ein Teil der Empfehlung liegt in Linses Zuständigkeit und richtet sich gegen die arischen Käufer und begünstigt die früheren jüdischen Eigentümer. Ein zweiter Teil ist die Verordnung des Reiches über Vermögen von im Ausland lebenden Juden. Auf diese jedoch hat Linse keinen Einfluss, keine Macht, sie ausser Kraft zu setzen. Wenn die jüdischen Eigentümer wirklich keinen Zugang zu ihrem Vermögen haben, kann man das aber nicht Linse zur Last legen - es ist Sache des Reiches.

6L  Jakob (Jankiel) Nussberg

Jakob (Jankiel) Nussberg  hatte eine Strumpffabrikation in Chemnitz, Kurt-Günther-Straße 22 (oder 26) und einen Grosshandel in Meerane. Letzterer wurde verkauft, die Strumpffabrikation aber liquidiert. Dr. Linse hat den Kaufvertrag begutachtet (siehe doc 6 L, unten) und Auflagen empfohlen, die den Nettoerlös für Herrn Nussberg erhöht haben: Der Wert des Inventars müsse geschätzt und vergütet werden. Ebenso müsse das Warenlager mit 50% des Verkaufspreises* der Ware berechnet werden. Die Aussenstände seien vom Käufer einzuziehen, gegen eine Provision von 5%. Alles waren kaufmännisch faire Vorgaben.

Bei diesem Verkauf wird die Reichsausgleichsabgabe zu gleichen Teilen von Käufer und Verkäufer getragen.

*Ein Kritiker zitiert das gleiche Dokument, aber falsch: Linse habe das Warenlager auf 50% des EIN-kaufspreises bewertet (anstelle von VER-kaufspreis wie es bei Linse steht)  Dieser kleine Fehler gereicht zum Schaden von Linses Ansehen und Sinn für Fairness. An anderer Stelle (Möbelhaus Oswald) hat Linse eine Bewertung des Warenlagers zum Selbstkostenpreis (=100% des EIN-Kaufspreises) akzeptiert, also fair.
[Grossbuchstaben von  P Seifert, zur Klarstellung]

6m Zeugnis einer Sekretärin der Handelskammer

Angeregt durch einen Zeitungsartikel trafen wir eine Dame, neunzigjährig, aufrecht und geistreich. Sie war etwa von 1938 bis 1942 als Sekretärin bei der Industrie- und Handleskammer Chemnitz tätig. Vielleicht, so der Artikel, war [der fast zwanzig Jahre ältere] Herr Dr. Linse ihre erste geheime Liebe.

Sie erklärte uns ehrlich und glaubwürdig ihre Herkunft, und dass sie damals überzeugt, vielleicht sogar begeistert, als BDM Mitglied und Nazi-Anhängerin mitgemacht hatte. Es ist heute sicher nicht leicht, diese Einstellung offen zuzugeben. Ihr Zeugnis gewinnt dadurch an Gewicht.

Ob Dr. Linse ein Nazi war, bejahte sie: "Er war ein Nazi, wie wir alle ..."  und bei der Entjudung, seiner Aufgabe,  habe er manchmal "hart durchgegriffen".  Allerdings sei Dr. Linse in der Handelskamer schon aufgefallen, weil er stets Anzug und Krawatte, nicht die Parteiuniform trug.

Heute stellt sich natürlich die Frage, ob Linse, wäre er ein Nazi-Gegner gewesen, ihr diese Überzeugung mitgeteilt hätte. Man darf wohl annehmen, dass er dafür zu klug und vorsichtig war. Dieser Gedanke beweist natürlich nicht seinen Widerstand gegen das Regime, aber er muss bei der Bewertung der obigen Aussage der Sekretärin bedacht  werden.

Hat sie ihm ihre Liebe offenbart? Vielleicht ist sie nicht erwidert worden ? Jedenfalls heiratete  Dr. Linse 1942 eine andere, Frau Helga Heymann ... (die Schwester meiner Mutter)

Die Sekretärin (nach eigener Erklärung) arbeitete nicht regelmässig für Dr. Linse, sondern nur aushilfsweise. Sie erinnerte sich nicht an Frau Edith Ascher, Herrn Alfred Ascher, deren Besuche in der IHK oder an die Korrespondenz über den Fall Ascher. Gleichfalls waren ihr die Namen des Herrn Gilel Reiter und seines arischen Treuhänders Sieben-Hausen, fremd - ungeachtet der grossen Anzahl von Schriftstücken, die über fast fünf Jahre, während ihrer Anstellung bei der IHK entstanden waren.

Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Reiches erfuhr die Sekretärin von den Grausamkeiten, die das Nazi-Regime begangen hatte und wandte sich entsetzt von dessen Ideen ab. In der Ostzone und späteren DDR kam sie gut voran. Ihr gefiel, dass dort auch Menschen von einfacher Herkunft Bildung geniessen konnten, und sie unterstützte den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft von ganzem Herzen. Noch heute fühlt sie, dass der Sozialismus die Rettung für die Welt ist. Wieder ein ehrliches Eingeständniss.

Von den Sowjets wurde Linse wieder bei der IHK eingestellt, sogar befördert. Bei der Gründung der DDR jedoch fand er sich wieder in der Opposition zu den Machthabern. Diesmal wagte er die Flucht nach Westberlin. Dort habe er gegen die DDR gearbeitet und, so die Sekretärin, "..hat unsere besten Kräfte abgeworben,..., denn er wusste ja alles ... das konnte nicht so weitergehen, ...  er wurde von Chemnitzern gewarnt, .... , aber so ein schlimmes Schicksal [wie seine Hinrichtung in Moskau] hat niemand gewollt ..."

Als Walter Linse nun, mehr als vierzig Jahre nach seiner Ermordung,  für seinen Widerstand gegen die DDR in Chemnitz geehrt werden sollte, habe sie protestiert und an seine Tätigkeit während des dritten Reiches erinnert.

Natürlich konnte sie damals nicht von den vielen Beispielen Dr. Linses Widerstandes gegen die Nazis wissen. Diese wurden erst 2007 durch Dr. Benno Kirsch und in diesem Internetportal objektiv ans Licht gebracht.

6n Linse schreibt  Entjudung war Unrecht

Von der neuen Sowjetischen Staatsmacht wieder in der IHK eingesetzt, schreibt Linse in seinen Akten, dass die Vertreibung der Juden aus der Wirtschaft ein Unrecht war, das irgendwie ausgeglichen werden müsse. Es bedürfe dazu aber landes- oder staatsweiter Gesetze, die es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab.

Meinen Sie, werte Leser, Walter Linse hätte diese Meinung dokumentiert, wenn er selbst der Täter des Unrechtes gewesen wäre, oder er sich als solchen gesehen hätte?

Meinen Sie, werte Leser, die Sowjets und deutsche Kommunisten hätten Walter Linse in seinem Amt bestätigt, wenn er als der Täter des Unrechtes bekannt gewesen wäre? Zu einer Zeit, in der viele Zeugen für Linses Wirken noch lebten und manche zurückkehrten, die ihn hätten denunzieren oder verklagen koennen ?

Meinen Sie, werte Leser, dass Herr Dr. Lipp, ein Vertreter der  jüdischen Menschen in Chemnitz, im Sommer 1945 zu Dr. Linse gegangen wäre, um Fragen einer Rückübereignung jüdischen Besitzes zu besprechen, wenn Linse der Täter des Unrechtes gewesen wäre?

Meine Antwort zu all diesen Fragen ist : Niemals. Das Unrecht lag in den Gesetzen und Verordnungen des Nazi-Reiches.

Ich denke, dass Walter Linse in seinem Gewissen gefühlt hat, dass er Unrecht gemildert hat, dass er es aber nicht verhindern konnte. Deshalb konnte er nach dem Zusammenbruch offen schreiben dass es ein Unrecht war, was er unter den Nazis bestimmt nicht schreiben  konnte. Hier ist der Text von Linse's Aktennotiz:

"Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Frage einer  Wiedergutmachung  des Unrechts an Juden im Allgemeinen und die Frage einer Wiedergutmachung des bei der Entjudung von  Gewerbebetrieben begangenen Unrechtes im besonderen  reichseinheitlich, zumindest landeseinheitlich geregelt werden  muss"

Mehr dazu in Abschnitt 8 "Linse NaziGegner".

6o Internationaler Juristen Kongress, (ICJ) Berlin, Juli, 1952

Wie von Professor Mampel berichtet (siehe Literatur), war Dr. Walter Linse "massgeblich an den Vorbereitungen für den Internationalen Juristen-Kongress in West-Berlin beteiligt, auf dem sich dann vom 25. bis 28. Juli 1952 führende Juristen aus 42 Ländern der Welt mit Rechtsbrüchen in der SBZ/DDR " auf verschiedenen Gebieten des Rechtes befassten. Aus diesem Treffen entstand im Herbst 1952 in New York die International Commission of Jurists, ICJ (auch AAICJ), die noch heute besteht.

Es ist einfach undenkbar, dass sich Linse in der Nazi-Zeit schuldig gemacht hat - wie von den Kritikern behauptet - und dass die Teilnehmer an den Treffen in Berlin und New York nicht von solcher Belastung gehört hätten. Damals waren die Wunden der Nazi-Verbrechen noch frisch, Zeugen lebten noch, hätten klagen können. Und, hätte  Walter Linse sich persönlich belastet gefühlt, hätte er nicht eine solch öffentlich sichtbare Funktion riskiert, weil er erkannt und angeklagt werden könnte. Er fühlte dass sein Verhalten richtig und ehrbar war.

Wenn Recht, Gerechtigkeit und Menschenrechte Dr. Linses Ideale waren, muss diese Aufgabe für ihn die Erfüllung seines Lebenstraumes gewesen sein. Er musste unter der Nazi- und der Kommunisten-Diktatur leben, wo für einen denkenden, intellektuellen Menschen kein Platz war, wo er immerzu im Stillen handeln musste, um den Opfern dieser Regime wenigstens etwas Schutz und Hilfe zu leisten. Ständig war er selbst dadurch in Gefahr. Endlich fand er sich in einer freien rechtsstaatlichen Gesellschaft und konnte zu einer internationalen Diskussion beitragen, solche Misstände aufzuzeigen und vielleicht zu verhindern. Seiner Euphorie wurde ein jähes Ende geboten:

                 Am 8. Juli 1952 begann die Katastrophe für diesen
                 "in jeder Weise integren Menschen" 
                  (Mampel): Verschleppung, Verhöre, Martyrium
                 und Hinrichtung in Moskau. 

                 1996 wurde Walter Linse von Russland rehabilitiert.

                 2007/ 2008 wurde Walter Linse wieder angegriffen -
                 meiner Ansicht nach ebenso ungerechtfertigt wie 1952. Diesmal konnte er
                 weder schreien noch sich verteidigen - er war schon tot. 

Bitte lesen Sie doch Abschnitte aus der Internetseite der "International Commission of Jurists" , einer Organsiation für Recht und Menschenrechte, deren erste Versammlung mit Linses Hilfe organisiert wurde: 

International Commission of Jurists
(The Rule of Law for Human Rights)
American Association of the International Commission of Jurists, AAICJ
Excerpt from this Association's website. Source, see below)

A Brief History of the International Commission of Jurists  (ICJ)

For over five decades, the ICJ has played a seminal role in establishing international human rights standards and working towards their implementation. Through pioneering activities, including inquiry commissions, trial observations, fact-finding missions, public denunciations and quiet diplomacy, the ICJ has been a powerful advocate for justice.

Born at the ideological frontline of a divided post-war Berlin, the ICJ was established in memory of a West German lawyer, Dr. Walter Linse, Acting President of the Association of Free German Jurists. Active in exposing human rights violations committed in the Soviet zone, he denounced arbitrary arrests, secret trials, and detention in labour camps and was to pay dearly for this courage. On 8 July 1952, East German intelligence agents abducted and delivered Linse to the KGB. Despite the protests of 20,000 Berlin citizens against his abduction and public pleas by Chancellor Adenauer for his release, Dr Linse was executed in Moscow one year later for "espionage".

This event led to the decision by a group of lawyers to found an organisation dedicated to the defence of human rights through the rule of law. Its inaugural conference in 1952, convened by a group of New York-based attorneys, was attended by thirty one ministers and statesmen, thirty five judges, counsel and presidents of high courts from Eastern and Western Europe and North America. Their agenda was largely shaped by cold war concerns including the denunciation of human rights abuses in the Soviet zone. A J M Bart van Dal (Netherlands) was elected as Secretary-General of the young organisation whose offices were established in The Hague."

[BOLD im Text hervorgehoben von P. Seifert]
Source: June 23, 2012,  updated November 4, 2012
updated December 2014 (Excerpts) :
http://www.icj.org/history/   (The above 2012 text and web address now slightly revised)

6p Die NSDAP Karteikarte

 

Es existiert eine NSDAP Gau-Kartei-Karte für "Walther" Linse, von 1940, mit der Mitgliedsnummer 8336675. Linses Vorname ist falsch geschrieben. ("th" in Walther ist falsch). In ungekürzter Form wäre sein Vorname "Walter Erich". Wohnadresse (im Jahr 1940) und Geburtsdatum sind jedoch richtig . Die Gau-Karteikarte ist NICHT dasselbe wie die Mitgliedskarte. (Einzelheiten in Kapitel  8) 

Bei Wikipedia wird kommentiert, dass Anträge ohne Unterschrift generell zurückgewiesen und nicht bearbeitet wurden. "Bis zu zwei Jahre konnten zwischen Aufnahmeantrag und der Aushändigung der Mitgliedskarte beziehungsweise des Mitgliedsbuches vergehen, erst dadurch wurde die Mitgliedschaft rechtskräftig." 

Auch das Bundesarchiv, welches mir eine Kopie der Karteikarte zugestellt hatte, bestätigt die bei Wiki gefundenen Verfahrensregeln bezüglich des Antrages, der Mitgliedskarte, des Mitgliedsbuches, und des Beginns der Mitgliedschaft.

Genau mit diesem Punkt begründet Linse nach dem Krieg, dass er NICHT Mitglied gewesen sei: Er habe es immer wieder vermeiden können, ein Mitgliedsbuch ausgehändigt zu bekommen. (Siehe Kirsch, Seite 42 43,  oder  Stadt-Archiv Chemnitz, Antifa-Block Sign 65, Blatt 102, 106). 

Es fällt auch auf, dass die Adresse (Uferstrasse 4) auf der Karteikarte nicht geändert wurde, als Linse 1942 heiratete und in die Germaniastrasse, später in die Ulmenstrasse, umzog. Wie man auf der Abschrift der Gau-Karteikarte (weiter unten) sieht, ist doch gerade für soche Einträge viel Platz reserviert, und wird doch die Genauigkeit dieser Mitgliedschafts-Administration auch noch heute anerkannt (siehe Wikipedia NSDAP Mitgliedschaft).

Wenn Linse überhaupt selbst Mitgliedschaft beantragt hat, dann war es relativ spät, und, wie er selbst angibt, unter Druck von seinen Vorgesetzen. Weiterhin muss man annehmen, dass der Name im für Linse bestimmten Parteibuch identisch war mit dem auf der Karteikarte, also Vorname FALSCH geschrieben (Wieso sollte er anders sein?). In diesem Fall hätte Linse richtig gehandelt, die Annahme des Mitgliedsbuches zu verweigern. Kam ihm der Fehler zu Hilfe? Hat er gar seinen Namen auf dem Antragsformular selbst falsch angegeben, oder den Fehler nicht korrigieren lassen, um einen Grund zu schaffen, den Beginn der Mitgliedschaft zu vermeiden oder zu verzögern? Dafür habe ich keine Belege.Jedoch ist die Anhäufung der verschiedenen Unstimmigkeiten und Fragen bemerkenswert, gerade im Licht der Genauigkeit, mit der sonst die persönlichen Daten in der Partei gehandhabt wurden.

Linse war sich bewusst, dass sein Antrag auf Mitgliedschaft von anderen als eine freie Willensäusserung gedeutet werden könnte, dass er der NSDAP beitreten wollte. Für manche könnte der Antrag und die Mitgliedschaft gleichbedeutent sein, obwohl gemäss der Parteiregeln seine Mitgliedschaft nie begonnen hat.

So zeigt auch diese Untersuchung, dass es durchaus gerechtfertigt ist, Linses Mitgliedschaft in der Nazi-Partei stark zu bezweifeln.  (Mehr Einzelheiten in Kapitel  8)